Facettensyndrom

Facettensyndrom

Synonyme:
Cervicalsyndrom, degenerative Wirbelsäulenerkrankung , Facettengelenkssyndrom, Facettenschmerz, HWS-Syndrom , Spondylarthrose, Lumbalsyndrom, LWS-Syndrom, Wirbelgelenkarthrose, Wirbelgelenkverschleiß, Zervikalsyndrom

Definition:


Das Facettensyndrom gehört zu den degenerativen Erkrankungen der Wirbelsäule und beschreibt ein Auftreten verschiedener Krankheitszeichen bei fortgeschrittener Abnutzung/Verschleiß der kleinen Wirbelgelenke.

Die Spondylarthrose selbst kann als einzelnes Krankheitsbild auftreten, dann spricht man von einem Facettensyndrom bzw. Facettengelenkssyndrom oder aber auch Ursache verschiedener anderer Krankheitsbilder sein (z.B. Spinalkanalstenose oder Wurzelkompressionssyndrom).

Betroffen sind vorwiegend Menschen über 50 Jahre, wobei der Anteil an jüngeren Erkrankten zunimmt. Die Krankheit begünstigen viele Berufe und Sportarten, insbesondere häufige Zwangshaltungen, Überkopfarbeiten, Monitortätigkeit u.a.. Überwiegend betroffen sind die Wirbelgelenke der unteren Lendenwirbelsäule, es können aber auch die Wirbelgelenke (Facetten) der Halswirbelsäule, seltenter die der Brustwirbelsäule betroffen sein.


Lokalisation des Facettensyndroms:

Von einem Facettensyndrom kann die ganze Wirbelsäule betroffen sein.
Am häufigsten findet man diese verschleißbedingte Erkrankung der kleinen Wirbelgelenke im Bereich der Lendenwirbelsäule.Aber auch im Bereich der Halswirbelsäule ist dieses Krankheitsbild nicht selten, seltener an der BWS.
Lokale Rückenschmerzen mit Zunahme bei Belastung und Besserung in Ruhe sind die führenden Krankheitszeichen.
Ein Bandscheibenschaden, wie er nach einem Bandscheibenvorfall auftritt, kann ursächlich für das Facettensyndrom sein.

Anatomie:

Als Lendenwirbelsäule (LWS) wird der untere Abschnitt der Wirbelsäule bezeichnet. Sie besteht beim Menschen aus 5 Wirbeln, die als Lendenwirbel bezeichnet werden. Beim Menschen wird die Lendenwirbelsäule durch den aufrechten Gang hoch belastet, sie stellt die Basis des Rumpfes dar. Durch diese Belastungen kommt es häufig zu schmerzhaften Reizzuständen, der Oberbegriff „Kreuzschmerz“ mag dazu dienen, vom banalen Schmerzsyndrom bis zum Bandscheibenschaden mit neurologischen Ausfällen eine große Palette von Krankheitsbildern zusammenzufassen. Die besondere Stärke der LEndenwirvbelknochen vermeidet jedoch nicht die Verschleißerscheinungen, die besonders in diesem Bereich sehr häufig auftreten. So sind beispielsweise Gelenkabnutzungen und Bandscheibenvorfälle im Bereich der Lendenwirbelsäule am häufigsten.

Jeder Wirbelkörper besitzt zwei obere und zwei untere Wirbelgelenke (Facettengelenke). Diese schaffen die Verbindung zu dem nächst oberen bzw. unteren Wirbelkörper, der wiederum die gleichen Gelenkfortsätze besitzt. Je nach Ausrichtung der Wirbelgelenke und Aufbau der Wirbelkörper sind unterschiedliche Bewegungsausmaße für den betreffenden Wirbelsäulenabschnitt möglich.
Die Gesamtbeweglichkeit der Wirbelsäule ist groß, obwohl zwischen den einzelnen Wirbelkörpern nur relativ geringe Bewegungen möglich sind. Durch Summation dieser kleinen Bewegungsspielräume resultiert letztendlich der große Bewegungsumfang.
Den größten Bewegungsumfang besitzen die Halswirbelsäule (HWS) und dort insbesondere die unteren Halswirbelabschnitte, aufgrund der annähernd horizontalen Ausrichtung der kleinen Wirbelgelenke. Bewegungen in alle Richtungen sind gut möglich.
Der Bewegungsumfang der Brustwirbelsäule (BWS) ist gering, aufgrund des besonderen Wirbelkörperaufbaus und der Befestigung der Rippen. Die hauptsächliche Bewegung der Brustwirbelsäule findet bei Drehung des Oberkörpers in der unteren Brustwirbelsäulenregion statt.
In der Lendenwirbelsäule sind hauptsächlich Beuge- und Wiederaufrichtbewegungen und Seitwärtsbewegungen möglich. Eine Drehbewegung findet aufgrund des besonderen Wirbelkörperaufbaus und der sagitalen Wirbelgelenkausrichtung (vorne / hinten) kaum statt.
Der letzte Lendenwirbel (LWK 5) schließt an das Kreuzbein an.

Kreuzbein (OS sacrum)

Das Kreuzbein (lat. Os sacrum) ist ein beim erwachsenen Menschen in etwa keilförmiger Knochen. Es entwickelte sich durch Verschmelzung (Synostose) aus den ursprünglich einzelnen, im Verlauf der Evolution zusammengewachsenen Wirbeln, den sogenannten Kreuzwirbeln. Beim Heranwachsenden findet diese Verschmelzung (vorher ein knorpeliger Verbund) bis zum Ende der Wachstumsphase statt. Das Kreuzbein umschließt den hinteren Abschnitt des Wirbelkanals und bildet mit Hüftbein und Darmbein eine Einheit, den Beckengürtel.
Das Kreuzbein bildet mit dem Darmbein das Darm-Kreuzbeingelenk (ISG-IlioSakralGelenk).

ISG

Das Iliosakralgelenk ist ein straffes, wenig bewegliches Gelenk (Amphiarthrose) mit einer engen Gelenkhöhle. Die beiden aneinanderstoßenden Gelenkflächen werden jeweils Facies auricularis genannt. Um diese Gelenkflächen stellt Faserknorpel (Ligamenta sacroiliaca interossea) die weitere Verbindung her. Aufgrund des (reibungsfrei gedachten) Gelenkspaltes können die Gelenkflächen des Iliosakralgelenks ausschließlich Normaldruckkräfte übertragen. Die Bänder (Ligamentum sacrotuberale, Lig. sacrospinale, Ligg. sacroiliaca anteriora, Ligg. sacroiliaca posteriora und Ligg. iliolumbalia) müssen alle weiteren Kräfte soweit kompensieren, dass die resultierende Kraft stets durch das momentane Bewegungszentrum des Gelenkes verläuft (statische Gleichgewichtsbedingung echter Diarthrosen).
Brüche und Verrenkungen des Kreuz-Darmbein-Gelenks können bei Stürzen, ruckartigen Bewegungen sowie Verdrehungen des Beckens auftreten. Akute und chronische Entzündungen sind möglich. Beim Morbus Bechterew sind sehr oft auch die Iliosakralgelenke betroffen.
Das Gelenk kann von Arthrose betroffen sein, siehe Iliosakralgelenksarthrose.

 

 

 

Ursache

Das Facettensyndrom ist eine erworbene Alterskrankheit.

Zu den Ursachen ihrer Entstehung gehören:
Altersbedingte Bandscheibendegenerationen / Bandscheibenverschleiß
Bandscheibenvorfall
Muskelschwäche
Rheuma
Übergewicht
Wirbelsäuleninstabilitäten
Wirbelsäulenverformungen/-fehlhaltungen
Zwangshaltungen und Überlastungen in Beruf und Sport

Im Rahmen einer Bandscheibendegeneration/-verschleiß kommt es zur Höhenminderung und Instabilität der Wirbelsäule mit Fehl- und Überlastung der betroffenen Wirbelgelenke.

Schwere körperliche Arbeit (Heben und Bücken) sowie Zwangshaltungen begünstigen die Entstehung eines Facettensyndroms der Lendenwirbelsäule durch gesteigerten Verschleiß. Überkopfarbeiten und Arbeiten mit stark angehobenen Armen, wie beispielsweise bei Malern aber auch Friseurinnen, kann durch die gesteigerte Belastung der Wirbelgelenke bei der Reklination (nach oben schauen, Rückbeugen) und ständigem Anheben der Arme zu einem Facettensyndrom der Halswirbelsäule führen.

Instabilitäten und Verkrümmungen der Wirbelgelenke führen zu einem erhöhten Knorpelabrieb durch eine krankhaft erhöhte Gelenkbeweglichkeit oder einer verkrümmungsbedingten Fehlbelastung.
Rheumatische Erkrankungen können sich auch an der Wirbelsäule abspielen und dann zu einem frühzeitigen Wirbelgelenkverschleiß führen.

Mögliche Gründe für Wirbelgelenkschmerzen:
Typischer Arthroseschmerz (Facettensyndrom)
Entzündungsschmerz (Rheuma, rheumatoide Arthritis)
Schleimhauteinklemmungen (akuter Rückenschmerz)
Funktionsstörungsschmerz („Blockierungen“) (akuter Rückenschmerz)

 

Die Krankheitsentstehung ist im Zusammenhang mit anderen degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen zu sehen:

Der Verschleiß der Bandscheiben beginnt schon bei 20-jährigen Menschen. Es kann zur Bandscheibenvorwölbung (Nucleus puposus protusio) oder zum Bandscheibenvorfall (Nucleus pulposus prolaps) kommen. Der zunehmende Wasserverlust der Bandscheibe führt zu einer Höhenabnahme des Zwischenwirbelkörperabschnittes (Osteochondrose). Die Folgen sind eine Überlastung der kleinen Wirbelgelenke durch zunehmenden Druck, eine Fehlfunktion der Wirbelsäulenbänder und eine sich entwickelnde Instabilität des Wirbelsäulenbewegungssegmentes, bestehend jeweils aus zwei Wirbelkörpern und der dazwischen liegenden Bandscheibe.

Grund- und Deckplatten der Wirbelkörper werden durch die höhengeminderte Bandscheibe mehr belastet. Der Körper reagiert darauf mit einer Knochenverdichtung im Bereich dieser Strukturen (Sklerosierung), was radiologisch in einer Verschattung zu erkennen ist.
Der Körper reagiert auf die sich entwickelnde Instabilität der Wirbelsäule durch Produktion knöcherner Anbauten an den Wirbelkörpern (Osteophyten/Exophyten), die nach Halt in der Umgebung suchen.
Im fortgeschrittenen Stadium der Instabilität kann sich eine verschleißbedingte Verkrümmung der Wirbelsäule ausbilden, wodurch die Statik der Wirbelsäule geändert und geschwächt wird (degenerative Skoliose).
Durch die veränderte Wirbelsäulenstatik ändern sich auch die Ursprungs- und Ansatzpunkte der Muskulatur und des Bandapparates der Wirbelsäule, wobei sich einige Muskeln und Bänder annähern und verkürzen und andere wiederum gestreckt werden. Beides führt über den Funktionsverlust zur Schwächung dieser Strukturen. Schmerzhafte Muskelhärten (Muskelhartspann/Myogelosen) können sich ausbilden.
Durch eine pathologische bzw. unphysiologische Lage der Wirbelkörpergelenke zueinander kommt es zu einem vorzeitigen Knorpelabrieb der Gelenkflächen. Es spielen sich dann die gleichen Vorgänge ab, die für die Knie- oder Hüftgelenksarthrose hinlänglich bekannt sind. Es kommt zur Gelenkentzündung, Kapselschwellung und –verdickung, sowie schneller noch als bei den großen Gelenken, zur Gelenkdeformität. Das Gesamtbild einer Wirbelgelenkarthrose (Spondylarthrose) ist entstanden.

Durch eine Spondylarthrose / Facettensyndrom hervorgerufene Beschwerden sind häufig vielfältig und wenig charakteristisch, was die Diagnose eines Facettensyndroms oft so schwierig macht. Da es sich um eine degenerative Erkrankung handelt, spielen für das Schmerzgeschehen meistens auch andere Erkrankungen eine Rolle wie z.B. Bandscheiben, Muskeln oder Bänder.

Im Gegensatz zu einem Bandscheibenvorfall, der auf der gleichen Höhe auftretend, bei verschiedenen Menschen meist gleiche, reproduzierbare Beschwerden auslöst (z.B. Reflexausfall, Lähmung, Gefühlsstörungen), kann ein Facettensyndrom, auch wenn es sich um den gleichen Wirbelsäulenabschnitt handelt, bei unterschiedlichen Menschen verschiedene Krankheitszeichen / Symptome hervorrufen.

Es gibt einige Charakertistika, die an die Diagnose: Facettensyndrom denken lassen sollten,
wie z.B.:
-tiefsitzender Rückenschmerz (Lumbago), der bei Belastung zunimmt, in Ruhe sich bessert.. Eine Lumbago ist häufig basierend auf einer verschleißbedingten Veränderung der Wirbelsäule.
-schlecht zu beschreibender, dumpfer bis stechender Schmerz
-Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule (morgentliches Steifheitsgefühl)
-Rückenschmerzen mit Ausstrahlung in das Gesäß, die Leiste und/oder die Beine, wobei der Schmerz nur selten bis über die Kniegelenksregion ausstrahlt (pseudoradikuläre Ausstrahlung) und keiner Nervenwurzel zuzuordnen ist (Wurzelsyndrom; radikuläre Ausstrahlung).
Rückenschmerzen stärker als Beinschmerzen (im Gegensatz zum Bandscheibenvorfall).
-Schmerzverstärkung bei Reklination (Rückbeugen) des Rumpfes.
-Federungsschmerz über den Wirbelgelenken.
Muskelverspannungen

Die zuvor genannten Symptome sind mehr oder weniger typisch und können bei einem Facettensyndrom vorkommen, müssen es aber nicht. Einzelne dieser Symptome können ganz im Vordergrund stehen.

Diagnostik

Die Krankengeschichte bzw. Anamnese der Patienten und das beschriebene Beschwerdebild sind äußerst wichtig für die Diagnosefindung..

Die körperliche Untersuchung mit Ausschluss einer Wurzelreizsymptomatik, Druckschmerzen/Federungsschmerzen über den Wirbelgelenken , Schmerzverstärkung bei Reklination (Rückbeugung) und Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule sind wichtige Hinweise für die Diagnose.

Bildgebende Verfahren können ggf. helfen das Ausmaß der Erkrankung zu diagnostizieren und deren mögliche Ursache wie Wirbelsäulenfehlhaltungen festzustellen.
Durch ein MRT (Magnetresonanztomographie) kann die Beeinträchtigung eines Nerven ausgeschlossen werden.

Der Nachweis eines krankhaften/verschleißbedingten Befundes in der bildgebenden Diagnostik ist nicht beweisend dafür das es auch die Beschwerdeursache ist.

Zur weiteren Diagnostik eignen sich deshalb Probeinjektionen in die Wirbelgelenke.

Diagnostische Facetteninjektion

Ultraschallgesteuert / sonographisch ist es möglich gezielt die verdächtigen Wirbelgelenke zu betäuben, die für die Krankheitsursache als maßgebend festgelegt wurden.

Dies kann durch eine gezielte Injektion eines lokalen Betäubungsmittel (Schmerzausschaltung) ggf. in Kombination mit einem Cortisonpräparat.

Therapie

Die Therapie der Spondylarthrose / des Facettensyndrom ist fast immer konservativ.

Für eine fortgeschrittene Wirbelgelenkarthrose steht Beschwerdelinderung im Vordergrund.

Den größten, nicht invasiven beschwerdelindernden Effekt, besitzen Injektionen (Spritzen), die direkt in oder an die kleinen Wirbelgelenke injiziert werden.

Unterstützend helfen können mobilisierende und stabilisierende Krankengymnastik / Physiotherapie sowie Rückenschule, ggf. entlordosierende Mieder und Bandagen.

Therapeutische Facetteninjektion

Analog der Vorgehensweise bei der diagnostischen Facetteninjektion, würde ich im akuten Schmerzintervall ein Gemisch aus lokalem Betäubungsmittel und Kortison in/an die erkrankten Wirbelgelenke injizieren. Das lokale Betäubungsmittel hat einen sofortigen, schmerzlindernden Effekt, das Kortison hat eine entzündungshemmende Langzeitwirkung.
Langfristig (ähnlich der bekannten Injektion in Kniegelenke) sollte zur Besserung der Gelenksituation die ultraschallgesteuerte Infiltration der Facettengelenke / Zwischenwirbelgelenke mit Hyaluronsäure erfolgen. Hyaluronsäure ist ein natürlich im Knorpel vorkommende Substanz, die dem Knorpel seine Elastizität verleiht und eine deutliche länger anhaltende Wirkung als Kortison besitzt.

Auch eine Injektion um das Wirbelgelenk führt schon zu einer Besserung, da die Medikamente in die Gelenkkapsel der Wirbelgelenke diffundieren und ihre Wirkung entfalten können. Dort werden ggf. auch andere evtl. Schmerz verursachende Strukturen gleichzeitig mitbehandelt.

 

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